Im Zweiten Weltkrieg kämpften mehr Soldaten aus der Dritten Welt als aus Europa (wenn man von der Sowjetunion absieht). Sowohl die faschistischen Achsenmächte als auch die Alliierten rekrutierten in ihren Kolonien Hilfstruppen und Hilfsarbeiter oftmals mit Gewalt. Weite Teile der Dritten Welt dienten als Schlachtfelder und blieben nach Kriegsende verwüstet und vermint zurück. Allein China hatte mehr Opfer zu beklagen als die für den Krieg verantwortlichen faschistischen Mächte Deutschland, Italien und Japan zusammen. Hunderttausende Frauen waren Opfer sexueller Gewalt. Und bei der Befreiung der philippinischen Hauptstadt Manila waren 1945 mehr Bombenopfer zu beklagen als in Dresden, Berlin oder Köln.

Doch so gravierend die Folgen des Zweiten Weltkriegs in der Dritten Welt auch waren, in der hiesigen Geschichtsschreibung wurden sie lange Zeit kaum beachtet.

Dies zu ändern war und ist das Ziel des historischen Langzeitprojekts, mit dem das Rheinische JournalistInnenbüro in Köln in den 1990er-Jahren begann und das seit 2000 von dem gemeinnützigen Verein recherche international e.V. fortgeführt wird. 

Nach zehnjährigen Recherchen in 30 Ländern Afrikas, Asiens und Ozeaniens erschien 2005 das erste deutschsprachige Buch zum Thema („Unsere Opfer zählen nicht“, Verlag Assoziation A, Hamburg/Berlin). 2008 folgten Unterrichtsmaterialien und 2009 eine (Wander-)Ausstellung, die seit ihrer Premiere in Berlin in mehr als 60 Locations hierzulande und in der Schweiz zu sehen war. Eine englische Ausstellungsfassung tourt seit 2017 durch Südafrika. Für Mosambik wurde 2020 eine portugiesische Version erstellt.

Die Ausstellung besteht aus vier geografischen Kapiteln (zu Afrika, Asien, Ozeanien und Südamerika & Karibik) sowie aus zwei thematischen (zu „Judenverfolgung außerhalb Europas“ und „Kollaboration“). An zehn Hörstationen berichten Zeitzeug:innen aus verschiedenen Kontinenten von ihren Kriegserfahrungen. Drei Videostationen präsentieren „vergessene Befreier“ aus aller Welt, einen Animationsfilm über ein Verbrechen an Kolonialsoldaten in Westafrika und Kriegserinnerungen von Migrant:innen aus Köln und Umgebung.

Zum Abschluss des Projekts wird die Originalausstellung – rund um den 80. Jahrestag des Kriegsendes in Europa (am 8. Mai 2025) – noch einmal in einer aktualisierten und erweiterten Fassung im Kölner NS-Dokumentationszentrum gezeigt. Sie wird ergänzt um (lokal-)historische Fakten, die in anderen Ausstellungstädten und -ländern hinzugefügt wurden, und im Kellergewölbe des NS-DOK werden zudem künstlerische Reflexionen aus Afrika, Asien und Ozeanien zu Folgen des Zweiten Weltkriegs vorgestellt. 

Das umfangreiche Begleitprogramm entstand in Kooperation mit lokalen und überregionalen Initiativen und bietet mehr als 30 Veranstaltungen. Dazu gehören Vorträge, Lesungen, Theateraufführungen, eine Filmreihe, Live-Musik sowie eine Hiphop-Tanzperformance über afrikanische Kolonialsoldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Beteiligt sind internationale Gäste aus Ägypten, Algerien, Frankreich, Italien, Marokko, Kamerun, Brasilien, Korea, Malaysia, Schweiz, Türkei und USA.

Zur Vernissage am 7. März 2025 werden Online-Versionen der Originalausstellung in Deutsch, Englisch, Französisch und Portugiesisch freigeschaltet, und im Archiv für alternatives Schrifttum (afas) in Duisburg bleiben die von recherche international e.V. in vier Jahrzehnten gesammelten historischen Materialien auch nach Abschluss des Langzeitprojekts weiterhin verfügbar.

Die Initiator:innen des Projekts „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ hoffen, dass die Ausstellung und die Begleitveranstaltungen zum Perspektivwechsel von einer eurozentrischen zu einer globalen Geschichtsschreibung beitragen und zu mehr Verständnis für die Geflüchteten von heute führen. Europa muss sich endlich der historischen Verantwortung stellen, die es gegenüber Kontinenten, Ländern und Regionen hat, die von europäischen Mächten durch Kolonialisierung und Krieg zerrüttet wurden.

Köln, März 2025

Christa Aretz / Karl Rössel (recherche international e.V.)

Zum Begriff „Dritte Welt“

Der Begriff „Dritte Welt“ ist in die Kritik geraten, weil damit Länder von Zentralafrika bis in den Südpazifik trotz all ihrer Differenzen als Einheit behandelt und sprachlich zwei Stellen unter der „Ersten Welt“ eingeordnet werden. Allerdings wird der Begriff im Rahmen dieses (Ausstellungs-)Projekts so verstanden, wie ihn Frantz Fanon, der Theoretiker
der antikolonialen Befreiungskämpfe, in die internationalistischen Debatten eingeführt hat. Fanon bezeichnete damit nicht nur die von kolonialer und neokolonialer Herrschaft Betroffen im „globalen Süden“. Er schloss ausdrücklich auch indigene und migrantische Minderheiten in den Industrieländern des Nordens mit ein, die sich ebenfalls gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus zur Wehr setzen müssten. In seinem bekanntesten Werk Die Verdammten dieser Erde schrieb Fanon zum Beispiel: „Die Dritte Welt steht heute als eine kolossale Masse Europa gegenüber; ihr Ziel muss es sein, die Probleme zu lösen, die dieses Europa nicht hat lösen können.“ Genau um die Rolle dieser „kolossalen Masse“ im Zweiten Weltkrieg geht es in dem Langzeitprojekt-Projekt von recherche international e.V.

Der Begriff „Dritte Welt“ wird – so verstanden – auch deshalb in der Ausstellung genutzt, weil der aus Martinique stammende Fanon im Zweiten Weltkrieg selbst in den Truppen des Freien Frankreich ge- gen Nazideutschland kämpfte. Dabei musste er feststellen, dass die Strukturen auch in den Streitkräften des Freien Frankreich rassistisch waren. Diese Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg haben Fanons spätere anti-kolonialen und anti-rassistischen Theorien maßgeblich geprägt.

Im Karibik-Kapitel der Ausstellung ist Fanon eine Tafel gewidmet. Im Begleitprogramm stellt seine Mitstreiterin Alice Cherki aus Algerien ihre Fanon-Biografie vor und der algerische Regisseur Mehdi Lallaoui präsentiert einen Dokumentarfilm über Fanon.

Tatsächlich hat sich an den hierarchischen globalen Macht- und Herrschaftsverhältnissen, die Fanon mit den Begriffen „Erste“ und „Dritte“ Welt beschrieben hat, bis heute wenig geändert. Dies zeigt sich zum Beispiel in den aktuellen Debatten über Ursachen und Folgen des Klimawandels. Denn während die Industrienationen der „Ersten Welt“ zweifellos die Hauptverursacher des Klimawandels sind, leiden all diejenigen, die Fanon zur „Dritten Welt“ zählte, ob sie nun aus dem globalen Süden oder Norden kommen, am schwersten unter den Folgen.


Eine wichtige und längst überfällige Aufklärungsschau, die zeigt, dass Millionen Soldaten aus der sogenannten Dritten Welt dafür kämpften, die Welt vom Faschismus zu befreien.
(3sat, 30.9.2009)

Es geht nicht um ein paar kleine Ergänzungen, sondern um Millionen von Kolonialsoldaten, freiwilligen und zwangsrekrutierten, um Zwangsprostituierte, um Millionen zivile Opfer, deren genaue Zahl zuverlässig nicht zu benennen ist, weil sich niemand die Mühe machte, nichtweiße Opfer allzu genau zu registrieren.
(FAZ – Frankfurter Allgemeine, 16.9.2009)

Im Eingangsbereich empfängt die Besucher eine Weltkarte, die klar macht, dass es im Folgenden um ein weites Schlacht-Feld gehen wird … Diese Ausstellung hat keine ‚Tendenz‘. Sie wird getragen von dem aufklärerischen Impuls, nicht länger den Zweiten Weltkrieg zu erzählen und dabei einen Gutteil der kämpfenden und leidenden Zeitgenossen unerwähnt zu lassen.
(der Freitag, 5.9.2009)

Um ein vollständiges Bild zu erreichen, zeigt die Ausstellung auch die Verfolgung von Juden außerhalb des deutschen Einflussbereichs und die Kollaboration mit den faschistischen Achsenmächten in der Dritten Welt – es gab dort nicht nur Widerstandskämpfer und Opfer, sondern auch Menschen, die mit den Nazis sympathisierten.
(Berliner Abendblatt, 20.8.2009)

Die Ausstellung versteht sich als Übersetzer und Vermittler der vergessenen Befreier und Zeitzeugen, daran lässt der dokumentarische Charakter keinen Zweifel.
(Deutsche Welle – World, Radio, 9.9.2009)

Hand aufs Herz: Welcher geschichtsinteressierte Zeitgenosse weiß schon, dass unter den 250.000 Opfern der US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki auch etwa 30.000 Zwangsarbeiter aus der japanischen Sklaven-Kolonie Korea waren, die in Japan für Rüstungsbetriebe wie Misubishi schufteten?
(Saarbrücker Zeitung, 9.2.2011)

Die Ausstellung … sieht den Krieg aus der Perspektive des Südens und räumt als erstes die eurozentrische Datierung 1. September 1939 bis 8. Mai 1945 ab. Vier Jahre vorher begann der Krieg Italiens, zwei Jahre vorher der Japans in China; und in Ostasien wurde noch Monate über den Mai 1945 hinaus gekämpft.
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 29.4.2011)

Gerade die ‚Hörstationen‘ … geben den Opfern einen Namen und ein Gesicht – und damit einen Rest von verlorener Würde. In der Textrubrik ‚Verdrehte Geschichte‘ werden die gröbsten Irrtümer, die übelsten Entgleisungen angesichts des Themas als Zitatbrocken aufgespießt – an diesem Detail zeigt sich der Impetus der Ausstellung womöglich am genauesten: Es gilt, Überlieferungen zu korrigieren, festsitzende Überzeugungen zu durchlöchern, falsche Urteile zu unterlaufen, kurz: den erprobten europazentrierten Blick auf eine historische Epoche zu überwinden.
(Badische Zeitung. 10.11.2010)

Wer hat schon von Hitlers Plänen mit den Juden auf dem afrikanischen und asiatischen Kontinent gewusst? Die Ausstellung will … erreichen, dass die zögerliche Wahrnehmung der außereuropäischen Perspektive stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wird.
(Churer Magazin, Chur, Schweiz, 20.12.2011)

Die Ausstellung versteht sich als Parteinahme für Millionen von Opfern, denen ihre Geschichte gleichsam gestohlen wurde … Gerade weil der Zweite Weltkrieg eine globale Katastrophe war, verbietet seine Erforschung das Aufrichten nationaler und kultureller Grenzen. Die Ausstellung selbst liefert ein großartiges Plädoyer dafür.
(Die Welt, 9.10.2012)

Dass die zwangsrekrutierten Befreier Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs keine Rolle mehr spielten im öffentlichen Bewusstsein und in der offiziellen Geschichtsschreibung, ist bis heute bitter für die Überlebenden.
(NDR-Kultur, 16.4.2013)

In deutschen Geschichtsbüchern kommt all dies nicht vor, der eurozentrische Blick, der nur von Europa ausgeht, herrscht immer noch vor. Und immer noch wird Geschichtsfälschung betrieben … Die Dritte Welt interessiert hier halt niemanden.
(Badisches Tagblatt, 29.10.2013)

Eine starke neue Ausstellung wurde im Castle of Good Hope in Kapstadt eröffnet. Sie … enthüllt, welche Opfer Länder in Afrika, Asien und dem Rest der Welt im Kampf gegen Nazismus, Faschismus und militärischen Imperialismus bringen mussten.
(China Global Television Network – Africa, Februar 2017)

In Südafrika führen wir seit vier Jahren eine hitzige Debatte um die Dekolonialisierung der Bildung. Die Ausstellung verdeutlicht, was dies in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der Geschichte heißt.
(Cape Town TV, Kapstadt, Südafrika, 10.3.2017)


Die erste deutschsprachige Publikation über die weitreichenden Folgen des Zweiten Weltkriegs in der Dritten Welt wurde seit 2005 in vier Hardcover-Auflagen vom Verlag Assoziation A (Berlin/Hamburg) herausgegeben. Eine ungekürzte Paperback-Ausgabe ist seit 2015 bei der Bundeszentrale für politische Bildung für 7 Euro erhältlich.

heinisches JournalistInnenbüro / Recherche International e.V (Hg.).: 
„Unsere Opfer zählen nicht“ – 
Die Dritte Welt im Zweiten 
Weltkrieg, 2005,
444 Seiten, 415 Fotos

Rheinisches JournalistInnenbüro / Recherche International e.V (Hg.).:
„Unsere Opfer zählen nicht“ –
Die Dritte Welt im Zweiten
Weltkrieg, 2005,
444 Seiten, 415 Fotos

Die geografischen Hauptkapitel beschreiben die Rolle Afrikas, Asiens, Ozeaniens und Südamerikas im Zweiten Weltkrieg. Weitere Abschnitte erinnern an Kolonialsoldaten im Spanischen Bürgerkrieg, Schwarze und Native Americans in der US-Armee, die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs im Nahen Osten sowie an die Kriegseinsätze australischer Aborigines und neuseeländischer Maoris. Dabei wird nicht verschwiegen, dass es in der Dritten Welt auch Kollaborateure der faschistischen Achsenmächte gab.

Das Buch wurde 2005 von 25 Kritiker:innen zum „wichtigsten Sachbuch des Jahres“ gekürt. Im Juni 2020 stellte es die Neue Zürcher Zeitung – neben Klassikern von Primo Levi, Raul Hilberg, Daniel Goldhagen und Hannah Arendt – als „eines von fünfzehn Werken über den Zweiten Weltkrieg“ vor, „die in den letzten 75 Jahren Debatten auslösten und Reflexionen anstießen“.

Auf der Internetseite www.3www2.de steht das Buch zum kostenlosen Downloaden zur Verfügung.

Leseecke
Zum Epilog der Ausstellung gehört eine Leseecke. Dort stehen neben Büchern von internationalen Gästen sowie von recherche international auch Publikationen aus Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika, die im Laufe von vier Jahrzehnten für das Langzeitprojekt Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg zusammengetragen wurden. Darüber hinaus liegen Rezensionen der Ausstellung, des Buchs „Unsere Opfer zählen nicht“ und der Unterrichtsmaterialien aus sowie eine Sammlung aller Artikel, die in der internationalistischen Zweimonats-Zeitschrift iz3w (Freiburg) von 2005 bis 2024 zu Aspekten des Ausstellungsthemas erschienen sind. Ein Sofa lädt dazu ein, in alledem zu stöbern.

Büchertische
Im Foyer des NS-DOK und an Büchertischen während der Veranstaltungen des Begleitprogramms werden Publikationen der Referent:innen und zu Aspekten des Themas angeboten.



NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (NS-DOK)

Appellhofplatz 23–25

U Appellhofplatz

www.nsdok.de | Tel. 0221 / 221 – 2 63 32

1. Do. im Monat (außer an Feiertagen) 10–22 Uhr
Eintritt: 4,50 | 2 Euro (ermäßigt), freier Eintritt für alle Schüler:innen, alle unter 18-jährigen Kölner:innen und alle Inhaber:innen des Kölnpasses.

Filmhaus Kino
Maybachstr. 111

U Hansaring S Hansaring

Filmforum im Museum Ludwig
Bischofgartenstraße 1

U Dom/Hauptbahnhof S Köln Hauptbahnhof

FORUM Volkshochschule
im Museum am Neumarkt
Cäcilienstraße 29-33

U Neumarkt

Literaturhaus Köln
Großer Griechenmarkt 39

U Poststraße

Bürgerzentrum Nippes – Altenberger Hof
Mauenheimer Str. 92

U Florastraße S Neusser Str./Gürtel

Theater im Bauturm
Aachener Str. 24-26

U Rudolfplatz

Deutsch-Spanischer Kulturkreis Antonio Machado e.V.
Severinsmühlengasse 1

U Chlodwigplatz

Tickets für die Veranstaltungen sind bei den jeweiligen Locations erhältlich.

Themenschwerpunkt der Zeitschrift iz3w
Dem 80. Jahrestag des Kriegsendes in Europa und der abschließenden Ausstellungspräsentation im NS-DOK widmet die internationalistische Zeitschrift iz3w aus Freiburg in ihrer März/April-Ausgabe 2025 einen 20-seitigen Themenschwerpunkt. Die Beiträge dafür stammen von Autor:innen, die in Köln und anderswo über Kriegsfolgen aus außereuropäischen Perspektiven referieren. Das iz3w-Dossier ist im Foyer des NS-DOK am Büchertisch erhältlich. Dort finden sich auch ausgewählte Bücher der internationalen Referent:innen.


Hier finden Sie alle Veranstaltungen nach Datum, Kategorie oder Ort:

Die nächsten Veranstaltungen:

Freitag, 04.04.2025 19:00 • NS-DOKFreitag, 04.04.2025 19:00
NS-DOK
Vortrag

Brasilianer im antifaschistischen Kampf

Vom Spanischen Bürgerkrieg bis zur Befreiung Italiens

Mit: Luis de Oliveira (Barga/Italien) und
Marcia de Oliveira Ramalho (Köln)

Eintritt 4,50 | 2 Euro (ermäßigt), Anmeldung über nsdok.de, Veranstaltungen

Luis de Oliveira ist in Brasilien geboren und hat dort als Journalist gearbeitet, bevor er nach Italien auswanderte, in das Land, aus dem seine Großeltern stammen. Als er sich in Barga, einem toskanischen Bergstädtchen in den Apuanischen Alpen, niederließ, musste er feststellen, dass dort nichts an den Beitrag erinnerte, den 25.000 brasilianische Soldaten im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht zur Befreiung dieser Region geleistet haben. Deshalb suchte er nach Dokumenten und Zeitzeugnissen über die brasilianischen Einsätze in der Toskana und eröffnete schließlich in Eigeninitiative ein kleines Museum: die Casa Brasile in Toscana. Es enthält Memorabilia zur Rolle der Força Expedicionária Brasilieira (FEB) in Italien, von denen einige auch ergänzend zur Ausstellung im NS-Dok präsentiert werden.

Marcia de Oliveira Ramalho ist Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Rio und wird am Beispiel eines Onkels daran erinnern, dass Brasilianer auch schon im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner gegen den Faschismus gekämpft haben.

In Kooperation mit: Casa Brasile in Toscana (Barga, Italien); Informationsstelle Lateinamerika (ila, Bonn); Köln-Rio–Städtepartnerschaftsverein e.V.

Dienstag, 08.04.2025 19:00 • NS-DOKDienstag, 08.04.2025 19:00
NS-DOK
Vortrag

Afrikanische Kolonialsoldaten in deutscher Perspektive (1870 – 1950)

Sandra Maß (Ruhr-Universität Bochum) 
Heiko Wegmann (freiburg-postkolonial.de)


Eintritt 4,50 | 2 Euro (ermäßigt), Anmeldung über nsdok.de, Veranstaltungen

Im April 1945 hatten Kolonialsoldaten aus Marokko, Algerien, Tunesien und Senegal wesentlichen Anteil an der Befreiung des Elsass und Badens vom Nationalsozialismus. Ihre Wahrnehmung durch die deutsche Nachkriegsöffentlichkeit basierte auf rassistischen Bildern von afrikanischen Soldaten, die im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, den Kolonialkriegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in den Kampagnen gegen die Rheinlandbesetzung in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus verbreitet wurden. Diese führten 1940 im Frankreichfeldzug zu zahlreichen „gebilligten Massakern“ an schwarzen französischen Kolonialsoldaten, die von Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS verübt wurden.

Die rassistischen Kampagnen hatten nicht nur propagandistische Funktionen, sondern waren Teil der deutschen Selbstverständigungsdebatten über Geschlechterverhältnisse und Vorstellungen von „Weißsein“. Der afrikanische Soldat – als „treuer Askari“ oder als „wilder Kolonialsoldat“ – fungierte darin als Spiegel „weißer Männlichkeit“.

Sandra Maß ist Professorin für Transnationale Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Ruhr-Universität Bochum und Autorin des Buchs Weiße Helden, schwarze Krieger: Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918-1964. (Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2006) 

Heiko Wegmann ist freiberuflicher Historiker, leitet das Projekt freiburg-postkolonial.de und hat zahlreiche Beiträge zur deutschen Kolonial- und NS-Geschichte publiziert.

In Kooperation mit: Freiburg Postkolonial; iz3w / Aktion Dritte Welt Freiburg; Afrika Film Festival Köln / FilmInitiativ Köln e.V.; Friedensbildungswerk Köln

Samstag, 26.04.2025 00:19 • FILMFORUM im Museum LudwigSamstag, 26.04.2025 00:19
FILMFORUM im Museum Ludwig
Film

NAVAJO CODE TALKERS: A JOURNEY OF REMEMBRANCE

R: Georg A. Colburn | USA 2017 | englOmenglU | 70 min.


CREE CODE TALKERS
R: Alexandra Lazarowich (Cree) | Kanada 2016 | Cree/englOmenglU | 13 min.



Eintritt 7 | 5 Euro (ermäßigt), Tickets: nur Abendkasse


Der Kurzfilm CREE CODE TALKERS erinnert an Charles “Checker” Tomkins, der im Zweiten Weltkrieg für die US-Luftwaffe ein Verschlüsselungssystem für geheime Militärkommunikation auf der Basis der Cree-Sprache entwickelte.

Manuel Menrath
Manuel Menrath
Jay Howard

Der Dokumentarfilm NAVAJO CODE TALKERS: A JOURNEY OF REMEMBRANCE begleitet sechs Navajo-Veteranen bei ihrer Rückkehr auf die pazifischen Inseln, auf denen sie ein halbes Jahrhundert zuvor die entscheidende Endphase des Krieges miterlebt hatten. Während es ihnen in den Schulen ihrer Reservate in den USA verboten war, die Navajo-Sprache zu sprechen, leistete diese im Pazifikkrieg als Code für militärische Nachrichtenübermittlung, den die Japaner nie entschlüsseln konnten, ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum Sieg der Alliierten. 

Im Anschluss: Hintergrundgespräch zur Rolle von Native Americans im Zweiten Weltkrieg mit Jay Howard (aka Ohìdiga Saba Wamni / Mutiger Schwarzer Adler, Nakota / Sioux-Nation, USA/Schweiz) und Manuel Menrath (Schweizer Historiker, Museumsleiter und Autor von Büchern zu Native Americans)

In Kooperation mit: FilmInitiativ Köln e.V.

Sonntag, 27.04.2025 17:00 • FILMFORUM im Museum LudwigSonntag, 27.04.2025 17:00
FILMFORUM im Museum Ludwig
Film

CINEMA, ASPIRINAS E URUBUS

Cinema, aspirinas e urubus "

R: Marcelo Gomes | Brasilien 2005 | portOmenglU | 140 min.

Eintritt 7 | 5 Euro (ermäßigt), Tickets: nur Abendkasse

Der Spielfilm zeigt am Beispiel des deutschen Deserteurs Johann, dass die Folgen des Zweiten Weltkriegs selbst in abgelegenen Dörfern Brasiliens noch zu spüren waren. Johann verkauft Medikamente. Er fährt mit einem alten Kleinlaster über Land und wirbt mit einem Film für den Kauf von Aspirin. Unterwegs freundet er sich mit dem Anhalter Ranulpho an, der zu seinem Reise- und Geschäftspartner wird.

Das Kriegsgeschehen ist zunächst nur in den Radionachrichten präsent, die über blutige Schlachten in Europa und Angriffe deutscher U-Boote auf brasilianische Schiffe im Atlantik berichten. Doch als auch Brasilien 1942 dem NS-Regime den Krieg erklärt, steht Johann plötzlich vor der Alternative, entweder nachDeutschland abgeschoben zu werden (und im Zweifel gegen alliierte Freunde wie Ranulpho kämpfen zu müssen) oder sich in ein Internierungslager für Deutsche in Brasilien zu begeben.

Das Road-Movie mit seinen preisgekrönten Hauptdarstellern lief 2005 beim Filmfestival in Cannes und wurde von Brasilien für den Auslands-Oscar nominiert.   

In Kooperation mit: Köln-Rio – Städtepartnerschaftsverein e.V.; Informationsstelle Lateinamerika – ila (Bonn),
FilmInitiativ Köln e.V.      

Samstag, 03.05.2025 16:00 • NS-DOKSamstag, 03.05.2025 16:00
NS-DOK
Führung

Großmachtwahn, Kriegsverbrechen und Widerstand

Die philippinische Hauptstadt Manila wurde 1945 bei der Befreiung von der japanischen Besatzung vollständig zerstört. 100.000 Zivilist:innen kamen ums Leben

Die philippinische Hauptstadt Manila wurde 1945 bei der Befreiung von der japanischen Besatzung vollständig zerstört. 100.000 Zivilist:innen kamen ums Leben

Das Asien-Kapitel der Ausstellung

Führung mit: Karl Rössel (Kurator) & Nora Sausmikat (Sinologin und Autorin des Kapitels über China im Zweiten Weltkrieg)

Eintritt 4,50 | 2 Euro (ermäßigt), Anmeldung über nsdok.de, Veranstaltungen

Donnerstag, 08.05.2025 19:00 • FORUM VolkshochschuleDonnerstag, 08.05.2025 19:00
FORUM Volkshochschule
Vortrag

Der Holocaust und Nordafrika

Reste des Camps Tendrara in Südost-Marokko und der von dort internierten Zwangsarbeitern verlegten Schienen für eine Eisenbahnlinie durch die Sahara bis zum Niger

Reste des Camps Tendrara in Südost-Marokko und der von dort internierten Zwangsarbeitern verlegten Schienen für eine Eisenbahnlinie durch die Sahara bis zum Niger

Mit: Aomar Boum (Professor für Anthropologie und sephardische Geschichte an der University of California, Los Angeles, USA)

Eintritt frei

Im Jahr 2018 veröffentlichte das United States Holocaust Memorial Museum eine bedrückend umfangreiche „Enzyklopädie der Lager und Ghettos“ in den von den Verbündeten Nazideutschlands kontrollierten Ländern und Kolonien. Darin wurden die mehr als 100 wenig bekannten Lager der faschistischen Achsenmächte in Nordafrika erstmals detailliert beschrieben. Einer der Verfasser war der aus Marokko stammende und in den USA lehrende Historiker Aomar Boom. Er ist auch Mitherausgeber der Essay-Sammlung The Holocaust and North Africa und einer Geschichte in Dokumenten über die (Kriegs-)Jahre 1934 – 1950 in Nordafrika.

2022 publizierte er zudem mit dem algerischen Künstler Nadjib Berber die Graphic Novel Undesirables – A Holocaust Journey to North Africa.

In seinem Vortrag beschreibt Aomar Boum – ausgehend von den jüdisch-muslimischen Beziehungen in den 1930er-Jahren – die Folgen der Vichy-Herrschaft für die Juden Nordafrikas und für Flüchtlinge aus Europa, die Funktion der Arbeitslager in der Region sowie den aktuellen Forschungsstand zum Thema. 

In Kooperation mit: Volkshochschule Köln; Afrika Film Festival Köln / FilmInitiativ Köln e.V.; Friedensbildungswerk Köln; Verein EL-DE-Haus e.V.; GERMANIA JUDAICA – Kölner Bibliothek zur Geschichte des Deutschen Judentums e. V.; Eine Welt Netz NRW

Freitag, 09.05.2025 19:00 • LITERATURHAUSFreitag, 09.05.2025 19:00
LITERATURHAUS
Lesung

Frantz Fanon: ein Porträt

Alice Cherki (links) und Natasha A. u. Zephena Kelly

Alice Cherki (links) und Natasha A. u. Zephena Kelly

Mit: Alice Cherki (Zeitzeugin, Mitstreiterin Fanons in den 1950er-Jahren in Algerien, Autorin der Fanon-Biografie)
Natasha A. Kelly (Professorin an der Universität der Künste, Berlin) & Zaphena Kelly (B.Sc. Psychologie)



Eintritt: 5 | 3 Euro (ermäßigt), Tickets: literaturhaus-koeln.de

Die Psychiaterin und Publizistin Alice Cherki stammt aus Algerien, wo sie in den 1950er-Jahren mit Frantz Fanon für eine Veränderung der gefängnisähnlichen psychiatrischen Anstalten und für die Überwindung der französischen Kolonialherrschaft kämpfte. Ein halbes Jahrhundert später verfasste sie ein persönliches Porträt über den Theoretiker der antikolonialen Befreiungsbewegungen. Darin ist nachzulesen, dass sich der aus Martinique stammende Fanon im Zweiten Weltkrieg freiwillig meldete, um gegen den Naziterror in Europa zu kämpfen, sich aber auch auf Seiten des Freien Frankreichs mit Rassismus konfrontiert sah. Diese Erfahrungen verarbeitete er später auch in seinen Büchern (Schwarze Haut, weiße Masken und Die Verdammten dieser Erde).

Die deutsche Ausgabe der Fanon-Biografie, die lange vergriffen war, erschien 2024 in einer erweiterten Neuauflage – mit einem Vorwort, das Natasha A. Kelly zusammen mit ihrer Tochter Zaphena Kelly geschrieben hat. Aus intergenerationaler Perspektive zeigen sie, dass Fanons Stimme in den aktuellen postkolonialen Diskursen „unverzichtbar“ ist und hierzulande dazu anregen sollte, sich auch „mit der deutschen Kolonialgeschichte“ und „ihren Auswirkungen auf die Gegenwart“ intensiver auseinanderzusetzen.

In Kooperation mit: Literaturhaus Köln; Afrika Film Festival Köln / FilmInitiativ Köln e.V.; Friedensbildungswerk Köln; Allerweltshaus Köln e.V.; Eine Welt Netz NRW